© Peter Josika 16.3.2014
Krim-Referendum: Obwohl ich Selbsbestimmung zu den wichtigsten Grundrechten einer demokratischen Weltordnung zähle, ist das heutige Referendum der Region Krim eindeutig ungültig.
(1) Der Bevölkerung wurde die dritte Option einer für alle Volksgruppen inklusiven unabhängigen Krim vorenthalten. Zur Wahl standen nur zwei zentralistische Nationalstaaten.
(2) Internationale Beobachter erhielten keinen Zugang, um das Referendum zu überwachen.
(3) Der Ausgang des Referendums- 93% für eine Angliederung an Russland- beweisst, dass grosse Teile der Bevölkerung nicht am Referendum teilnahmen. Nur etwa 58% der Einwohner der Krim sind Russen. 24% Ukrainer und 11% Krimtartaren werden definitiv nicht mehrheitlich für Russland gestimmt haben.
Sonntag, 16. März 2014
Montag, 10. März 2014
Lasst die Krim doch einfach Krim sein
© Peter Josika
Lasst die Krim doch einfach Krim sein
Am 16 März soll die Bevölkerung der Krim über ihre politische Zukunft abstimmen. Zur Auswahl stehen zwei nationalstaatliche Modelle. Einerseits der Verbleib bei der zwar pro-europäischen aber betont nationalistischen Ukraine, die gerade den Staatsapparat zentralisierte, die regionalen Autonomien abschaffte und die Minderheitenrechte beschnitt. Andererseits der Anschluss an ein imperialistisches Russland, das unter der Führung Putins von einer Föderation zu einem de facto Zentralstaat mutierte sowie wieder damit begann seine von Menschenrechtsverletzungen, Unterwerfung und Russifizierung geprägte Geschichte zu glorifizieren.
Die Krim ist ein Schmelztiegel verschiedener Sprachgruppen, Ethnien und Konfessionen. Neben Russen, Ukrainern, Weissrussen, Armeniern, Krimdeutschen, Roma und Bulgaren leben dort vor allem auch muslimische Krimtartaren, die bis ins Neunzehnte Jahrhundert die Bevölkerungsmehrheit stellten. Kriege, Vertreibungen, Umsiedlungen, Massenenteignungen, Kollektivierungen und staatliche Assimilierung führten zuerst zu einer Russifizierung und seit 1990 zu einer teilweisen Ukrainisierung des Landes. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist die heutige Bevölkerungsstruktur von etwa 58% Russen, 24% Ukrainern, 12% Tartaren und 6% Sonstigen.
Russland begründet sein Eingreifen auf der Krim mit der Verteidigung des Selbstbestimmungsrechtes der russischen Bevölkerungsmehrheit. Der Westen pocht wiederum auf die angebliche Unantastbarkeit der territorialen Integrität der Ukraine. In Wahrheit geht es beiden Seiten nur um eines: Politischen und wirtschaftlichen Einfluss.
Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt uns, dass Russland und der Westen, entsprechend ihrer jeweiligen Interessenslage, abwechselnd mal die Selbstbestimmung und dann wieder den "Schutz territorialer Integrität" in den politischen Vordergrund stellten. Während der Westen die Unabhängigkeit des Kosovo im Sinne des Selbstbestimmungsrechtes der albanischen Bevölkerungsmehrheit anerkennt, blockiert Russland seit Jahren seinen Beitritt in die UNO und anderen internationalen Organisationen mit dem Verweis auf die territoriale Integrität Serbiens. Russland unterdrückt zudem bereits seit Jahrzehnten Unabhängigkeits-, Autonomie- und Dezentralisierungsbestrebungen im eigenen Land und beruft sich dabei auf die angebliche Gefährdung seiner territorialen Integrität.
Die Staaten Europas bezeichnen sich zwar selbst immer wieder gerne als vorbildliche Demokratien, viele von ihnen bekämpfen aber auch mit allen Mitteln Dezentralisierungs-, Selbstbestimmungs- und Autonomiebestrebungen innerhalb ihrer Hoheitsgebiete. Katalonien, Baskenland, Schottland, Wales, Nordirland, Bretagne, Elsass, Südtirol, Friaul, Dalmatien, Istrien, Vojvodina, Banat, Siebenbürgen, Szeklerland, Schlesien und Mähren seien hier als Beispiele genannt. Für alle diese Regionen gilt die Unumstösslichkeit der "territorialen Integrität" als oberstes Gebot. Der Wille der betroffenen Bevölkerung ist zweitrangig.
Nach dem Ersten Weltkrieg stand die Politik des Westens noch ganz im Zeichen der Idee der nationalen Selbstbestimmung. Die Habsburgmonarchie und andere Teile Mittelosteuropas wurden in ethnische Nationalstaaten aufgeteilt. Selbstbestimmung wurde aber nur selektiv und ohne Beteiligung der betroffenen Bevölkerung umgesetzt. So zwang man viele anders- oder gemischtsprachige Gebiete gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit in fremde Nationalstaaten. Ähnlich wie in der heutigen Ukraine setzten diese neu entstandenen oder geografisch erweiterten Nationalstaaten wiederum alles daran regionale Autonomien zu unterbinden und ihre grossen Minderheiten auszugrenzen statt zu integrieren. Das Ergebnis dieser Politik waren Konflikte zwischen und innerhalb dieser Staaten sowie der Aufstieg extremistischer Bewegungen. Hitler, Stalin, der Zweite Weltkrieg und der Kalte Krieg waren eine direkte Folge verfehlter zentralistisch-nationalstaatlicher Politik wie sie heute in der Ukraine, in Russland sowie in grossen Teilen Europas wieder oder immer noch betrieben wird.
Für die Krim und ihre Menschen ist daher weder ein Anschluss an Russland noch der Verbleib in der heutigen zentralistisch-nationalistischen Ukraine ein annehmbarer Weg. Beide Optionen untergraben die regionale Autonomie, bedeuten weniger Demokratie und Selbstverwaltung und führen zu einer Ausgrenzung grosser Teile der Bevölkerung. Stattdessen sollten die USA, EU und Russland von ihren historischen Fehlern lernen und es der Krim ermöglichen ihren eigenen integrativen Weg zu beschreiten. Nur eine möglichst unabhängige föderalistisch und damit basisdemokratisch strukturierte Krim, frei von nationalistischer und zentralistischer Bevormundung, kann alle Volks- und Religionsgruppen gleichberechtigt in die staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen einbinden. Nur so kann zudem eine gemeinsame Identität aufgebaut werden, die den Bewohnern unabhängig von ihrer Muttersprache und Religion eine langfristige gemeinsame Perspektive gibt. Die Lösung für die Krim heisst Krim, nicht Russland oder Ukraine.
Lasst die Krim doch einfach Krim sein
Am 16 März soll die Bevölkerung der Krim über ihre politische Zukunft abstimmen. Zur Auswahl stehen zwei nationalstaatliche Modelle. Einerseits der Verbleib bei der zwar pro-europäischen aber betont nationalistischen Ukraine, die gerade den Staatsapparat zentralisierte, die regionalen Autonomien abschaffte und die Minderheitenrechte beschnitt. Andererseits der Anschluss an ein imperialistisches Russland, das unter der Führung Putins von einer Föderation zu einem de facto Zentralstaat mutierte sowie wieder damit begann seine von Menschenrechtsverletzungen, Unterwerfung und Russifizierung geprägte Geschichte zu glorifizieren.
Die Krim ist ein Schmelztiegel verschiedener Sprachgruppen, Ethnien und Konfessionen. Neben Russen, Ukrainern, Weissrussen, Armeniern, Krimdeutschen, Roma und Bulgaren leben dort vor allem auch muslimische Krimtartaren, die bis ins Neunzehnte Jahrhundert die Bevölkerungsmehrheit stellten. Kriege, Vertreibungen, Umsiedlungen, Massenenteignungen, Kollektivierungen und staatliche Assimilierung führten zuerst zu einer Russifizierung und seit 1990 zu einer teilweisen Ukrainisierung des Landes. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist die heutige Bevölkerungsstruktur von etwa 58% Russen, 24% Ukrainern, 12% Tartaren und 6% Sonstigen.
Russland begründet sein Eingreifen auf der Krim mit der Verteidigung des Selbstbestimmungsrechtes der russischen Bevölkerungsmehrheit. Der Westen pocht wiederum auf die angebliche Unantastbarkeit der territorialen Integrität der Ukraine. In Wahrheit geht es beiden Seiten nur um eines: Politischen und wirtschaftlichen Einfluss.
Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt uns, dass Russland und der Westen, entsprechend ihrer jeweiligen Interessenslage, abwechselnd mal die Selbstbestimmung und dann wieder den "Schutz territorialer Integrität" in den politischen Vordergrund stellten. Während der Westen die Unabhängigkeit des Kosovo im Sinne des Selbstbestimmungsrechtes der albanischen Bevölkerungsmehrheit anerkennt, blockiert Russland seit Jahren seinen Beitritt in die UNO und anderen internationalen Organisationen mit dem Verweis auf die territoriale Integrität Serbiens. Russland unterdrückt zudem bereits seit Jahrzehnten Unabhängigkeits-, Autonomie- und Dezentralisierungsbestrebungen im eigenen Land und beruft sich dabei auf die angebliche Gefährdung seiner territorialen Integrität.
Die Staaten Europas bezeichnen sich zwar selbst immer wieder gerne als vorbildliche Demokratien, viele von ihnen bekämpfen aber auch mit allen Mitteln Dezentralisierungs-, Selbstbestimmungs- und Autonomiebestrebungen innerhalb ihrer Hoheitsgebiete. Katalonien, Baskenland, Schottland, Wales, Nordirland, Bretagne, Elsass, Südtirol, Friaul, Dalmatien, Istrien, Vojvodina, Banat, Siebenbürgen, Szeklerland, Schlesien und Mähren seien hier als Beispiele genannt. Für alle diese Regionen gilt die Unumstösslichkeit der "territorialen Integrität" als oberstes Gebot. Der Wille der betroffenen Bevölkerung ist zweitrangig.
Nach dem Ersten Weltkrieg stand die Politik des Westens noch ganz im Zeichen der Idee der nationalen Selbstbestimmung. Die Habsburgmonarchie und andere Teile Mittelosteuropas wurden in ethnische Nationalstaaten aufgeteilt. Selbstbestimmung wurde aber nur selektiv und ohne Beteiligung der betroffenen Bevölkerung umgesetzt. So zwang man viele anders- oder gemischtsprachige Gebiete gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit in fremde Nationalstaaten. Ähnlich wie in der heutigen Ukraine setzten diese neu entstandenen oder geografisch erweiterten Nationalstaaten wiederum alles daran regionale Autonomien zu unterbinden und ihre grossen Minderheiten auszugrenzen statt zu integrieren. Das Ergebnis dieser Politik waren Konflikte zwischen und innerhalb dieser Staaten sowie der Aufstieg extremistischer Bewegungen. Hitler, Stalin, der Zweite Weltkrieg und der Kalte Krieg waren eine direkte Folge verfehlter zentralistisch-nationalstaatlicher Politik wie sie heute in der Ukraine, in Russland sowie in grossen Teilen Europas wieder oder immer noch betrieben wird.
Für die Krim und ihre Menschen ist daher weder ein Anschluss an Russland noch der Verbleib in der heutigen zentralistisch-nationalistischen Ukraine ein annehmbarer Weg. Beide Optionen untergraben die regionale Autonomie, bedeuten weniger Demokratie und Selbstverwaltung und führen zu einer Ausgrenzung grosser Teile der Bevölkerung. Stattdessen sollten die USA, EU und Russland von ihren historischen Fehlern lernen und es der Krim ermöglichen ihren eigenen integrativen Weg zu beschreiten. Nur eine möglichst unabhängige föderalistisch und damit basisdemokratisch strukturierte Krim, frei von nationalistischer und zentralistischer Bevormundung, kann alle Volks- und Religionsgruppen gleichberechtigt in die staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen einbinden. Nur so kann zudem eine gemeinsame Identität aufgebaut werden, die den Bewohnern unabhängig von ihrer Muttersprache und Religion eine langfristige gemeinsame Perspektive gibt. Die Lösung für die Krim heisst Krim, nicht Russland oder Ukraine.
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Let Crimea be Crimean
© Peter Josika
Let Crimea be Crimean
The Russophile regional government of Crimea called a referendum on the future status of the region for March 16. The people will only have two choices- to remain Ukrainian or become part of Russia. The option of Crimean independence, neither supported by the West nor by Russia, will not be given.
The new pro-European, but increasingly nationalist Ukrainian government, has centralized power, abolished regional autonomies and weakened minority rights. In its current form it has nothing to offer to the majority non-Ukrainian population of Crimea.
Russia, on the other hand, did the same over the last few years. Under Putin it also started glorifying its questionable history of subjugation and Russification. Becoming part of Russia would make the non-Russians of Crimea, constituting more than 40% of the population, to second class citizens.
The indigenous inhabitants of Crimea, the Tartars, are a prime example of a people that became a minority on their own land due to Russian centralism and nationalism. After Ukrainian independence in 1990 the Russification process turned into a more modest form of Ukrainization. In the nineteenth century still the majority, Crimean Tartars only make up 12% of the population today. 58% are Russians, 24% Ukrainians and the remaining 6% mainly Belorussians, Crimean Germans, Bulgarians and Armenians. The modern day Crimea is therefore a melting pot of languages, ethnicities, cultures and religions. Logically it does not fit into the structures of nation states like Russia or Ukraine.
Only a Swiss style federalist set up with strong regional and local governments can give all peoples of Crimea an identity and protect the regions unique diversity. The US and the EU should learn from past mistakes and support the path to Crimean independence. After World War I the Western powers forced various regions with local German and Hungarian majorities into newly created or expanded nation states like Czechoslovakia, Poland, Romania or Yugoslavia causing unnecessary internal conflicts and unsolvable disputes between these states and their neighbors. The rise of extremism, the Second World War and the Cold War were a logical consequence. If the West wants to avoid for Crimea to become another Sudetenland, Alsace-Lorraine, Israel/Palestine or Northern Ireland, it should help create a strong federalist and non-ethnic Crimean state like Switzerland that is inclusive rather than exclusive to its diverse population. A new independent Crimea would also function as a buffer zone between the Ukraine and Russia. It would become a place were Ukrainians and Russians meet rather than fight each other.
Let Crimea be Crimean
The Russophile regional government of Crimea called a referendum on the future status of the region for March 16. The people will only have two choices- to remain Ukrainian or become part of Russia. The option of Crimean independence, neither supported by the West nor by Russia, will not be given.
The new pro-European, but increasingly nationalist Ukrainian government, has centralized power, abolished regional autonomies and weakened minority rights. In its current form it has nothing to offer to the majority non-Ukrainian population of Crimea.
Russia, on the other hand, did the same over the last few years. Under Putin it also started glorifying its questionable history of subjugation and Russification. Becoming part of Russia would make the non-Russians of Crimea, constituting more than 40% of the population, to second class citizens.
The indigenous inhabitants of Crimea, the Tartars, are a prime example of a people that became a minority on their own land due to Russian centralism and nationalism. After Ukrainian independence in 1990 the Russification process turned into a more modest form of Ukrainization. In the nineteenth century still the majority, Crimean Tartars only make up 12% of the population today. 58% are Russians, 24% Ukrainians and the remaining 6% mainly Belorussians, Crimean Germans, Bulgarians and Armenians. The modern day Crimea is therefore a melting pot of languages, ethnicities, cultures and religions. Logically it does not fit into the structures of nation states like Russia or Ukraine.
Only a Swiss style federalist set up with strong regional and local governments can give all peoples of Crimea an identity and protect the regions unique diversity. The US and the EU should learn from past mistakes and support the path to Crimean independence. After World War I the Western powers forced various regions with local German and Hungarian majorities into newly created or expanded nation states like Czechoslovakia, Poland, Romania or Yugoslavia causing unnecessary internal conflicts and unsolvable disputes between these states and their neighbors. The rise of extremism, the Second World War and the Cold War were a logical consequence. If the West wants to avoid for Crimea to become another Sudetenland, Alsace-Lorraine, Israel/Palestine or Northern Ireland, it should help create a strong federalist and non-ethnic Crimean state like Switzerland that is inclusive rather than exclusive to its diverse population. A new independent Crimea would also function as a buffer zone between the Ukraine and Russia. It would become a place were Ukrainians and Russians meet rather than fight each other.
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