Dienstag, 27. Mai 2014

EU und Nationalstaaten brauchen eine gemeinsame Föderalismusreform

© Peter Josika
Das Ergebnis der EU-Wahlen verdeutlicht, dass der europäische Integrationsprozess in seiner aktuellen Form in einer Sackgasse gelandet ist. Der Traum von den "Vereinigten (National-)Staaten von Europa" entpuppt sich zunehmend als unrealistische Seifenblase. Viele Europäer stehen einer weiteren Vertiefung der europäischen Integration zurzeit negativ gegenüber. Daran wird sich ohne institutionelle Reformen, die Europas zentralistische und ethnisch-nationale politische Strukturen abschwächen, auch nichts ändern. 
 
Die pro-europäischen Kräfte müssen daher umdenken. Die während des EU-Wahlkampfs vielzitierte Idee eines "Europas der Regionen" darf nicht zu einem inhaltlosem Wahlkampfslogan verkommen. Sie muss vielmehr institutionell umgesetzt werden. 
 
Wir brauchen eine EU-weite "Föderalismusreform", die nicht nur sündteure Doppelgleisigkeiten ausmerzt, sondern auch dem Bedürfnis nach mehr Basisdemokratie und wirtschaftspolitischer Flexibilität Rechnung trägt. 
 
Die Kompetenzen der EU, Nationalstaaten, Regionen und Gemeinden müssen klar definiert werden und das Prinzip der Subsidiarität endlich EU-weit umgesetzt werden. Eine EU-weite Anwendung des erfolgreichen schweizerischen Föderalismus-Modells würde in Deutschland und Österreich zu einer leichten Aufwertung der Bundesländer gegenüber dem Bund und der EU führen. Zudem erhielten die Gemeinden deutlich mehr Kompetenzen. In Zentralstaaten, wie Frankreich, Polen, Rumänien, Tschechien, Ungarn oder Griechenland, wären noch viel weitreichendere institutionelle Veränderungen notwendig. Diese sind aber unabdingbar, um den bestehenden zentralistischen und nationalistischen Filz zu durchbrechen. 
 
Die Aufwertung regionaler und lokaler Institutionen sollte Europa nicht nur demokratischer, bürgernaher und wirtschaftspolitisch flexibler machen, sondern vor allem auch dabei helfen nationalistische Vorurteile zu überwinden. 
 
Sobald sich politische Entscheidungen verstärkt von den nationalen Hauptstädten in die Regionen und Gemeinden verlagern, wird sich auch das Interesse der Bevölkerung an der lokalen und regionalen Politik intensivieren und die regionale und lokale Identität der Menschen stärken. Die Regionen können ihre ethnische, kulturelle und konfessionelle Vielfalt besser repräsentieren als die Nationalstaaten und können dadurch einerseits ihre Minderheiten besser integrieren, andererseits interregionale Brücken effektiver aufbauen. Die Schweiz macht das heute schon vor. 
 
Der Populismus der Nationalisten, die einerseits den angeblichen EU-Zentralismus anprangern, andererseits ihren eigenen nationalstaatlichen Zentralismus als gottgegeben darstellen, muss endlich als Doppelmoral entlarvt werden. Es ist Zeit den Spiess umzudrehen und den nationalstaatlichen Zentralismus stärker in den europapolitischen Vordergrund zu rücken. 
 
Die erfolgreiche Fortsetzung des europäischen Integrationsprozesses bedingt zwar zum jetzigen Zeitpunkt durchaus die Abgabe einiger EU-Kompetenzen, muss aber mit einer gleichzeitigen Dezentralisierung der Nationalstaaten sowie der Abschaffung von Doppelgleisigkeiten verknüpft werden. 
 
Wir Europaer müssen uns über zwei Dinge im Klaren sein. Um Frieden, Freiheit und Wohlstand langfristig zu sichern, brauchen wir ein vereintes föderales Europa. Der Weg zu einem demokratisch legitimierten und konkurrenzfähigen vereinten Europa führt aber nicht über die bestehenden Nationalstaaten sondern über seine Regionen

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