Auch wenn es
viele nicht wahr haben wollen: Das Geburtshaus Hitlers ist die
Touristenattraktion Nummer 1 in Braunau am Inn. Der Ort wird außerhalb Österreichs
auch in Zukunft vor allem als Geburtsstätte des Diktators in Zusammenhang
gebracht werden. Das ist eine Tatsache, die wir akzeptieren müssen.
Natürlich können
die Braunauer nichts dafür, dass Hitler in ihrem Heimatort geboren ist, genauso
wie die große Mehrheit der heutigen Österreicher auch nicht mit den Verbrechen
Hitlers in Verbindung gebracht werden können. Trotzdem sind wir alle
verantwortlich dafür mit unserer Geschichte sensibel umzugehen.
Das Geburtshaus
Hitlers abzureißen und am Standort einfach ein neues Polizeigebäude zu
errichten, zeugt allerdings von null Sensibilität gegenüber unserer Geschichte
und den Opfern des Nationalsozialismus. Es würde international eher den
Eindruck erwecken, Österreich wolle seine Geschichte (einmal mehr) unter den
Teppich kehren.
Das Geburtshaus
Hitlers muss daher endlich als Chance erkannt werden, um unsere Geschichte
aufzuarbeiten und um Menschen aus aller Welt das Europa, das Österreich und das
Braunau von Heute näher zu bringen.
Seit Jahren
setzen sich Bürger im Rahmen des Projektes “Haus der Verantwortung” in diesem
Sinne für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Geburtsstätte Hitlers ein.
Leider hat sich
eine breite Front gegen diese Pläne formiert. Die Einen befürchten eine
Stigmatisierung des Ortes, die Anderen die Entstehung eines Tummelplatzes für
Ewiggestrige. Verantwortung bedeutet aber weder Schuldzuweisung und
Stigmatisierung noch Ignoranz gegenüber Extremismus.
Ein Haus der
Verantwortung sollte der Welt das Österreich von Heute zeigen. Es sollte
vermitteln, dass Österreich zu Werten wie Demokratie und Menschenrechte sowie
Gleichberechtigung der Geschlechter, Volksgruppen und Religionen steht.
Seit 1945 hat
Österreich Opfer von Kollektivverbrechen aus aller Welt aufgenommen. Ein Haus
der Verantwortung könnte daher auch als Zentrum gegen globale
Kollektivverbrechen fungieren, in dem alle österreichischen Opfer solcher
Verbrechen über eine Stimme verfügen.
Neben den Opfern
des Nationalsozialismus und Faschismus (Juden, Roma, Osteuropäer, Minderheiten,
politische Oppositionelle, Südtiroler), könnte im Haus der Verantwortung auch
Platz für die Opfer der Nachkriegsvertreibungen, des Stalinismus, der Ungarn-
und Polenaufstände, des Korea- und Vietnamkrieges, der Niederschlagung des
Prager Frühlings, des Jugoslawien-Krieges und der Bürgerkriege in Syrien, Irak
und Afghanistan geschaffen werden. Mehrere hunderttausend Österreicherinnen und
Österreicher sind seit dem Zweiten Weltkrieg als Flüchtlinge ins Land gekommen.
Sie haben auch eine Geschichte zu erzählen.
Darüber hinaus
könnten auch andere Kollektivverbrechen, wie jene an den Ureinwohnern der Neuen
Welt, oder der Völkermord an den Armeniern behandelt werden. Noch gibt es
weltweit kein Zentrum, das historische Kollektivverbrechen global behandelt und
aufarbeitet.
Welcher Standort
eignet sich für so eine Institution besser als das Geburtshaus jenes Mannes,
der ein Weltbild vertrat in dem Menschen kollektiv entrechtet und ermordet
wurden. Hitler schlachtete Millionen Menschen für seine ideologischen und
machtpolitischen Zwecke ab. Er war das Produkt seiner Zeit und unsere heutige
Zeit ist noch immer zutiefst gezeichnet von den Folgen seines Wirkens.
Aber
Kollektivverbrechen hörten mit dem Ende des Nationalsozialismus nicht auf. Es
ist unsere Pflicht mit unserem geschichtlichen Erbe in diesem Zusammenhang
besonders bedacht und im Konsens mit allen Opfern umzugehen. Lasst uns die
Chance nutzen aus dem Geburtshaus Hitler etwas global Einzigartiges zu machen!
Peter Josika
ist ein in der Schweiz lebender österreichischer Manager, Historiker und
Politikwissenschaftler. Sein Buch „Ein Europa der Regionen, was die Schweiz
kann, kann auch Europa“ ist 2015 im IL Verlag erschienen.