Donnerstag, 12. März 2015

Was Europa von der Schweiz lernen kann ( Buchpräsentation an der Leipziger Buchmesse)

© Peter Jósika

Die Schweiz als Vorbild? Das ist nichts Neues. Schon Friedrich Dürrenmatt schrieb: "Die Welt wird entweder untergehen oder verschweizern". Der Gründer der Paneuropa-Bewegung, Richard Graf Coudenhove-Kalergi, wollte ganz Europa schlicht und einfach die Schweizer Verfassung verpassen. Heute rührt unter anderem Joschka Fischer die Werbetrommel für die Idee eines Vereinten Europas nach Schweizer Vorbild. 

Obwohl die drei genannten Persönlichkeiten sehr unterschiedlichen politische Lagern zuzuordnen sind, verbindet sie eine wichtige Erkenntnis:  Wir müssen unser Zusammenleben in Europa auf eine ganz neue  Grundlage stellen, wenn wir Frieden und Wohlstand langfristig erhalten wollen. 

Über die Vor- und Nachteile einiger Elemente der direkten Demokratie helvetischer Prägung scheiden sich natürlich die Geister. Kann man der Bevölkerung zutrauen bei komplexen Fragen alle Zusammenhänge zu verstehen und qualifizierte Entscheidungen zu treffen? Einige Kritiker fühlten sich nach den jüngsten  Abstimmungsergebnissen zu heiklen politischen Themen in ihrem Unmut über zu viel direkte Demokratie bestätigt. 

Viele populistische Gruppierungen nutzten die Abstimmungen wiederum zu Propagandazwecken aus. Sie stellen die Schweiz nun gerne als Vorreiter eines Europas starker unabhängiger Nationalstaaten sowie als natürlichen Feind der europäischen Integration dar. 

Doch das ist eine komplette Fehldarstellung der Realität. Bei näherer Betrachtung steht die Schweiz nämlich genau für das Gegenteil. Sie ist ein gut funktionierendes Europa im Miniformat, in dem grobe Konflikte zwischen Sprachgruppen und Konfessionen, wie sie in anderen Teilen Europas immer wieder auftreten, durch betont föderalistische und direktdemokratische politische Strukturen erfolgreich verhindert werden. 

Das Problem Europas ist nicht die EU per se. Es sind vielmehr die verkrusteten nationalstaatlichen Strukturen, die in grossen Teilen Europas vorherrschen.  Der institutionelle Nationalstaat mit seinem Zentralismus ist die Wurzel des Nationalismus, aber auch des Demokratiedefizits und vieler wirtschaftlicher Probleme mit denen Europa heute zu kämpfen hat. Er verhindert nicht nur den europäischen Einigungsprozess und eine standortgerechte Wirtschaftspolitik, sondern stürzt Teile unseres Kontinents immer wieder in schwere Krisen. 

Der tragische Krieg um die ostukrainischen Regionen Kharkiv, Donezk und Luhansk ist das jüngste Beispiel. Auch der radikale Islamismus, der ganz Europa heute in Atem hält und Teile des Nahen Ostens in eine apokalyptische Tragödie gestürzt hat, ist in vielerlei Hinsicht das Produkt europäisch-nationalstaatlicher Politik und seiner Nachwirkungen. 

Die Antwort auf die Probleme, die wir heute in Europa haben, ist daher keineswegs der Rückschritt zu weniger Europa und mehr Nationalstaat, wie es einige Populisten fordern. Stattdessen sollten wir den Weg zu einem Europa nach Schweizer Vorbild ebnen, das auf regionale, föderalistische und basisdemokratische Werte setzt. 

Wir können unsere trennenden ethnisch-nationalen Strukturen langfristig nur durch die Stärkung lokaler und regionaler Gebietseinheiten überwinden. Das Europa von Morgen muß durch viel mehr Gemeinde- und Regionalautonomie, viel weniger Nationalstaat und einer schlanken aber relevanten Europäischen Union gekennzeichnet sein. 

Die Basis für ein solches Europa der Regionen besteht eigenlich bereits. Das Prinzip der Subsidiarität wurde im Vertrag von Lissabon EU-weit festgelegt. Es besagt, dass Entscheidungen immer auf der unterstmöglichen bzw unterstsinnvollen politischen Ebene gefasst werden sollten. Umgesetzt wurde dieses Konzept aber bisher nur im Verhältnis zwischen der EU und den Nationalstaaten. Es obliegt also nun den Nationalstaaten, und der EU als Vertragspartner des Lissaboner Abkommens, Subsidiarität auch auf nationalstaatlicher Ebene vollumfänglich durchzusetzen. 

Eine solche europäische Föderalismusreform ist der Schlüssel für den schrittweisen Übergang zu einem demokratisch legitimierten Europa der Bürger. Nur so kann sich Europa seiner wachstumshemmenden zentralistischen Strukturen entledigen und die Endlosschleife wiederkehrender nationaler Konflikte stoppen. Nur so wird es zudem gelingen ein wahrlich vereintes Europa aufzubauen, das wie die heutige Schweiz von unten nach oben zu einer Willensgemeinschaft aller Sprachgruppen, Ethnien und Religionen zusammemwächst.

Peter Jósika ist ein in der Schweiz lebender österreichischer Autor, Historiker und Politikwissenschaftler. Sein Buch "Ein Europa der Regionen- Was die Schweiz kann, kann auch Europa" (IL-Verlag, Basel, 2014) wird am 14. März im Rahmen der Leipziger Buchmesse präsentiert. Das Buch ist im Handel sowie über den Verlag (http://www.il-verlag.com/autoren/jósika-peter/ein-europa-der-regionen/) erhältlich. Der Autor kann über die Webseite www.europaderregionen.com kontaktiert werden.

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