© Peter Jósika
François Hollande forderte am 14 Juli im Rahmen einer Fernsehansprache zum französischen Nationalfeiertag ein gemeinsames Parlament für die Eurozone. Er sprach damit erstmals öffentlich aus, was vielen schon lange klar ist: Eine gemeinsame Währung erfordert gemeinsame politische Strukturen.
Seit dem Zweiten Weltkrieg verfolgen pro-europäische Kräfte das Ziel, möglichst alle Staaten des Kontinents schrittweise in eine gemeinsame Union zu integrieren. Wie weit diese Integration gehen soll wurde allerdings nie klar definiert. Einige strebten einen europäischen Bundesstaat an, andere nicht viel mehr als einen gemeinsamen Wirtschaftsraum. So wurschtelte sich die EU durch die letzten Jahrzehnte. Seit der Einführung des Euros und der Gründung des Schengenraumes herrscht in puncto Integration nun Stillstand.
Europa am Wendepunkt
Die Schuldenkrise im Euroraum führte zur grössten Zerreißprobe seit der Gründung der EU, gleichzeitig aber auch zu einem Erwachen in Teilen der europäischen Politik. Plötzlich besteht einerseits der Wille und die Bereitschaft Europas politische Institutionen zu reformieren, andererseits eine gewisse Akzeptanz, dass die politischen Strukturen an die unterschiedlichen regionalen Bedürfnisse angepasst werden müssen. Es gibt eben Teile Europas, die mehr Integration suchen und brauchen sowie andere, die aus verschiedensten Gründen weniger wollen oder nur beschränkt an ihr teilnehmen können. Daran gibt es nichts zu rütteln.
Ein bedürfnisgerechtes Europa
Das viel diskutierte Europa mehrerer Geschwindigkeiten muss also endlich her. Irgendwie besteht es ja ohnehin schon. Doch Schengen und EWR müssen von der EU entkoppelt werden, um einerseits effektiver zu funktionieren und andererseits eine tiefere Integration der Eurozone zu ermöglichen. Ausserdem muss Europa demokratisiert werden. Einfach nur eine weitere politische Ebene zu schaffen, die irgendwo zwischen Nationalstaat und EU-Parlament angesiedelt ist, brächte, ausser Kosten, nur sehr wenig.
Das EU-Parlament ist in seiner aktuellen Form nicht viel mehr als ein Gesprächsforum mit beschränkten Regulierungsbefugnissen. Es verfügt über wenige Kompetenzen, weil sich die vielen Mitgliedsstaaten bisher nicht auf den Aufbau einer demokratisch legitimierten und politisch relevanten EU einigen konnten.
Nun besteht die einzigartige Chance eine neue verkleinerte EU mit einem politisch relevanten gemeinsamen Parlament zu schaffen. Eine EU, die aus jenen Staaten besteht, die zur europäischen Integration stehen und sich definitiv für die Einführung des Euros und den Beitritt zum Schengen Raum entschieden haben. Allen anderen Staaten stünde stattdessen die Mitgliedschaft im EWR und Schengenraum frei, die, nach ihrer Entkoppelung von der EU, eigenständig agieren könnten.
Subsidiarität als Basis einer neuen EU
Neben der Übernahme fiskalpolitischer Aufgaben, sollte das neue EU-Parlament durchaus auch weitere Kompetenzen von supranationaler Relevanz erhalten. Dazu zählen insbesondere außen-, einwanderungs- und asylpolitische Fragen. Auch der Schutz von Minderheiten gehört auf die EU-Ebene.
Eine solche vertiefte Integration in Kerneuropa setzt natürlich voraus, dass die nationalen Parlamente die Zeichen der Zeit erkennen und endlich jene Kompetenzen abgeben, die auf anderen politischen Ebenen besser aufgehoben sind.
Ein teilweiser Machttransfer von den Nationalstaaten an die EU ist allerdings nur die halbe Miete. Um Europa demokratischer und selbstbestimmter zu machen, müssen vor allem auch Regionen und Gemeinden gestärkt werden. Das betrifft insbesondere, aber nicht ausschliesslich, Zentralstaaten, wie zum Beispiel Frankreich. Europa kann nur auf Basis umfassender subsidiärer Strukturen funktionieren, die von der Gemeinde bis zur EU gleichermassen gelten.
Peter Jósika ist ein in der Schweiz lebender österreichischer Autor, Manager, Historiker und Politikwissenschaftler. Mehr Information finden Sie auf seiner Webseite www.europaderregionen.com